
Neubau eines Hallenbads
mit BIPV-Fassade im
BEG 40-Standard
Krieger Architekten
Velbert
Versorgungs- und Bäderbetrieb
der Stadt Verl
Paderborner Straße 5
33415 Verl
Fon 05246-9610
www.verl.de
LPH 1-9
Neubauten der öffentlichen Hand sind in Zeiten leerer Kassen eher selten. Noch seltener sind wohl nur Neubauten von Hallenbädern. Eines ist jetzt in der ostwestfälischen Stadt Verl entstanden – ein Pilotprojekt mit nationalem Vorbildcharakter. Der Grund ist eine dschungelgrüne Glasfassade, die fast komplett aus PV-Modulen besteht.
Hallenbäder zählen von jeher zu den teuersten Immobilien von Kommunen, was vor allem dran liegt, dass es fast 365 Tage im Jahr eine Unmenge von Energie braucht, um Wasser und Luft auf eine angemessene Temperatur zu bringen und zu halten. Auf der anderen Seite ist ihr Bedarf unbestritten: In Kommunen, die sich kein Bad mehr leisten können, lernen immer weniger Kinder das Schwimmen. Und das ist hoch gefährlich – spätestens im nächsten Sommerurlaub am Meer oder am See.
Becken aus Edelstahl statt Fliesen
Die Zeit der Luxus- und Spaßbäder ist lange vorbei. Wer heute noch neu baut, hält sich eng an die gesetzlichen Mindestvorgaben was die Raumhöhen und Grundflächen angeht. Üblich sind zwei unterschiedlich hohe Gebäudeteile, das höhere für die Becken, das niedrigere für Umkleiden und Nebenräume. Ein fünfbahniges Sportbecken hat maximal 25 Meter, daneben gibt es noch ein 120 Quadratmeter großes Kurs- oder Lehrschwimmbecken mit Hubboden. Wer es sich leisten kann, verzichtet sogar auf ein Gros der Fliesen, zumindest in den Becken – beide sind in Verl komplett aus Edelstahl. Das reduziert den Wartungs- und Instandhaltungsaufwand deutlich und auf Dauer.
Fernwärme und BEG 40-Standard
Während bei der Kubatur Zurückhaltung gefragt ist, können sich die Ingenieure an der Herausforderung Hallenbad austoben: Wo viel Energie benötigt wird, kann man auch viel einsparen. Oder sogar erzeugen? Die Wärme für das neue Hallenbad stammt aus dem örtlichen Fernwärmenetz, das von einem Holzhackschnitzelkraftwerk und mehreren Erdgas-BHKWs gespeist wird. Errichtet wurde der Neubau am Rand des Konrad-Adenauer-Schulzentrums im Niedrigenergiehaus-Standard BEG 40.
Besonderheit: PV-Module auch an den Fassaden
Besonderheit des neuen Verler Hallenbads ist eine BIPV, das ist eine Bauwerks-integrierte Photovoltaik-Anlage, gemeint sind senkrecht stehende Module an nahezu allen geschlossenen Teilen der Fassade. Und die sind werksseitig grün eingefärbt, wobei der Grünton je nach Standort des Betrachters leicht changiert. Im Verein mit einer 80 kWp-großen klassischen PV-Anlage auf dem Dach sorgt die sonnenhungrige Fassade (88 kWp) für einen jährlichen Deckungsgrad des Strombedarfs aus Sonne von 41 Prozent. Nach den Berechnungen von Fachplaner Bodo Meier vom Planungsbüro Schröder & Partner (Bielefeld) erzeugen die beiden Anlagen übers Jahr etwas mehr als 100 MWh elektrische Energie, zwei Fünftel der rund 250 MWh Strom, die das Hallenbad Verl benötigen wird. Die Bauleitung lag bei seinem Kollegen Peter Berenbrinker.
Forschung interessiert an Daten und Akzeptanz
Die Solarfassade des neuen Verler Hallenbads interessiert auch die Spitzenforschung: In der Beratungsstelle für Bauwerksintegrierte Photovoltaik (BAIP) werten Forschende des Berliner Helmholtz-Zentrums für Material und Energie (HZB) ab sofort die Leistungsdaten der Verler Solarfassade aus. Als Vergleich dienen die Daten ihres eigenen, 50 kWp großen Reallabors in Berlin-Adlershof. Dabei freuen sich die Forschenden auch auf qualitative Daten, zum Beispiel wie die PV-Fassade von Nutzern und anderen Bürgern angenommen und bewertet wird.
Über 16 Mio. Euro investiert
Die Eröffnung des neuen Hallenbads ist für Mai 2025 geplant. Die Einwohner Verls werden sicher in Scharen kommen. Wie groß das Interesse in den Parlamenten und Verwaltungen benachbarter oder weit entfernter Kommunen ist, bleibt abzuwarten. Vielleicht ermöglicht das neue „Sondervermögen Infrastruktur“ der einen oder anderen Stadt so ein Vorzeigebad wie in Verl zu bauen. Übrigens: Die Baukosten summieren sich auf rund 16,6 Mio. Euro. Und Verl kann es sich leisten, weil der 26.000 Einwohner-Ort dank eines immens erfolgreichen, zumeist familiengeführten Mittelstands seit vielen Jahren zu den drei Kommunen mit den höchsten Gewerbesteuereinnahmen pro Kopf in ganz Nordrhein-Westfalen gehört.